Das Onlinezugangsgesetz für Bund und Länder gibt vor, welche Serviceleistungen des Staates in Zukunft digital ablaufen sollen. Dieser Artikel zeigt die Komplexität und die Herausforderungen dieses Vorhabens auf und wirft einen Blick auf den Stand der Umsetzung.
Wenn man heute z.B. bei Amazon Druckerpatronen bestellen will, weil man nicht eine halbe Stunde in die Stadt fahren will, dann ist das am heimischen Rechner ganz einfach. Amazon erkennt den Benutzer, die richtige Druckerpatrone ist schnell ausgesucht und die Bezahlung ist integriert. Am nächsten Tag bringt DHL die Patrone an die Haustüre. So einfach wollen es die Bürger auch mit Dienstleistungen von Behörden haben.
Dazu wurde 2017 das Onlinezugangsgesetz für Bund und Länder geschaffen (Kommunen sind seit der Städteordnung von 1808 des Freiherrn von Stein formal selbstverwaltend). Damit sollen bis Ende 2022 575 Leistungen des Bundes, der Länder und auch der ca. 10.500 Kommunen sowie der 294 Landkreise online zugängig sein (Abb. 1). Der Bürger soll eine neue Wohnung online anmelden können, einen Gewerbebetrieb im Gewerbeamt oder ein Kind im Standesamt online anmelden können sowie die damit verbundenen Transaktionen online machen können (Kindergeld und Elterngeld beantragen) und vieles mehr. Die Online-Kommunikation soll den Gang in die Behörde vollständig ersetzen können. In vielen Fällen brauchen die Kommunen keine eigenen Satzungen zu den Themen zu beschließen, sondern führen Bundesgesetze aus wie das Sozialgesetzbuch SGB 1-12, die Gewerbeordnung oder das Melderecht.
Abb. 1: Das OZG ist ein komplexes Vorhaben (3)
Gesteuert wird die Umsetzung durch den IT-Planungsrat mit seinen FITKO-Geschäftsstellen (Föderale IT-Kooperation, Frankfurt/Main). In einzelnen Themenfeldern haben sich Arbeitsgruppen aus Bund, Ländern und Gemeinden gebildet. Zum Beispiel bearbeitet das Themenfeld Familie und Kind das BMFSFJ mit Bremen federführend und weiteren Partnern die Projekte Geburt, Familienförderung Eheschließung, Namensänderung, Betreuungs- und Kulturangebote, Schwangerschaft, Adoption und Pflegekinder. Besonders zu betonen ist hier das Bremer Projekt Elfe (1) – Einfach Leistungen für Eltern, wo bei Geburt von Kindern Eltern diese online anmelden können, wobei mehrere Gänge zu Behörden gespart werden (Standesamt, Elterngeld, Kindergeld, Meldeamt).
Zur digitalen Umsetzung der Projekte sind vier Prinzipien wichtig:
- Portalverbund von Bund und Ländern mit gemeinsamer Benutzerverwaltung
- Once Only: Bürger sollen ihre Daten nur einmal eingeben müssen
- Reifegradmodell (2): ab Reifegrad 4 sind Leistungen vollständig online nutzbar (Abb. 2)
- EfA: Einer für alle/viele. Entwickelte Lösungen sollen für möglichst viele der 10.500 Kommunen genutzt werden können. Dazu gehören auch Open-Source-Software und Bündelung in wenigen Rechenzentren.
Abb. 2: Vereinfachte Darstellung des Reifegradmodells (2)
Mit dem Registermodernisierungsgesetz vom 28.3.2021 werden dann über 20 Register erweitert und es wird eine Identifikationsnummer eingebaut, um Verwechselungen zu vermeiden. Dazu wird die schon länger eingeführte Steuer-ID aus dem Finanzwesen verwendet. Zugriffe auf die Register werden überwacht, um Missbräuche auszuschließen.
Mit dem Onlinezugangsgesetz holt der Staat auf zu dem, was die Wirtschaft seit Jahrzehnten macht. Dazu bleiben einige Herausforderungen zu meistern:
- Einige Bereiche meldeten, dass sie technisch nicht rechtzeitig 2020 fertig werden
- Rechtlich müssen alle 575 Dienstleistungen auch online zulässig sein. Die letzte Meldegesetz-Änderung legte fest, dass 2022 nur Tests zulässig sein werden, also noch kein verbindlicher Wirkbetrieb in allen 10.500 Kommunen (§ 23a, Absatz 1, Bundesmeldegesetz (4) „zur Erprobung der elektronischen Anmeldung“)
- Sollten für das OZG und das Registermodernisierungsgesetz neue Anwendungen fertiggestellt werden, müssen die in allen Kommunen genutzt werden können. Hier wird es zu neuen Kooperationen zwischen Behörden und IT-Dienstleistern kommen. Zumal auch aus demografischen Gründen weniger Bedienstete (in den nächsten Jahren gehen sehr viele in Pension/Rente und wegen einer Fertilität von 1,4 Kindern pro Frau seit über 40 Jahren, schrumpft der Nachwuchs von Generation zu Generation) mehr Aufgaben erledigen müssen.
Drei Beispiele:
a) In NRW wird im Wirtschaftsportal des Landes für alle Kommunen das Gewerberegister zentral betrieben.
b) In Hessen betreibt ekom21 das Ordnungswidrigkeitenverfahren für alle Behörden.
c) Dataport hostet für mehrere Bundesländer kommunale und Landesverfahren (siehe oben Elfe in Bremen).
- Erschwerend kommt die ID-Politik durch Juristen des Bundes hinzu. Zahlreiche Verfahren wurden seit dem Signaturgesetz SigG 1997 ausprobiert und fanden keine Zustimmung bzw. Verbreitung beim Bürger und bei Unternehmen: Qualifizierte Signatur mit extra Karte und Lesegerät (unwirtschaftlich), neuer Personalausweis (jetzt verpflichtend elektronische ID), DE-Mail (von Telekom abgekündigt wegen zu geringer Nachfrage, eIDAS der EU, ID-Wallet der EU, deutsches ID-Wallet (nach vier Wochen wegen Mängeln zurückgezogen), Personalausweis im Handy. Neben den Akzeptanzproblemen bei Bürgern haben Kommunen und Länder hohe Kosten durch ständige Neuerungen ohne große Nachfrage. Vielleicht sollten wir in die USA oder nach England schauen: Die brauchen keine Hardware-ID bisher, haben aber höhere Strafen als wir bei Betrug. Bisher wurde nicht begründet, warum das E-Government in Deutschland höhere Sicherheitsmaßnahmen braucht als das E-Government in USA oder England. Das Schlimmste, was passieren könnte, wären unverhältnismäßig hohe ID-Hürden, die das OZG zum Scheitern bringen könnten.
- Zur Minimierung der finanziellen Risiken für Kommunen wäre es denkbar, dass sich möglichst viele Kommunen zusammenschließen, um mit Open-Source-Software die OZG-Dienstleistungen zu erbringen und die Plattformen skalierbare Private Cloud Technologie z.B. mit Kubernetes und Containern als Basis nutzen, um nur so viele Ressourcen vorzuhalten, die der Bürger tatsächlich nachfragt.
Insgesamt ist das OZG und das Registermodernisierungsgesetz ein guter Ansatz, um Dienstleistungen des Staates und der Kommunen online zu stellen, sodass die Daten laufen und nicht die Bürger (Schröder, 2000). Zudem kann das Behördenangebot ohne zusätzliches Personal 24 Stunden an sieben Tagen die Woche erbracht werden. Wir sollten dem Staat helfen, das zu schaffen, weil die Bürger sonst unruhig werden, wie eine D21-Umfrage im E-Government Monitor neulich ermittelte („Unzufriedenheit mit Online-Angebot der Verwaltung wächst“ (5)) . Auch wenn es noch knirschen wird, ist jetzt schon ein großer Erfolg, dass die Digitalisierung der Verwaltung heute in aller Munde ist.
Quellen:
- https://familiennetz-bremen.de/einrichtungen/elfe-einfach-leistungen-fuer-eltern/
- https://www.onlinezugangsgesetz.de/Webs/OZG/DE/grundlagen/info-ozg/info-reifegradmodell/info-reifegradmodell-node.html
- https://www.normenkontrollrat.bund.de/nkr-de/aktuelles/monitor-digitale-verwaltung-6-1958280
- https://www.gesetze-im-internet.de/bmg/__23a.html
- https://www.egovernment-computing.de/unzufriedenheit-mit-online-angebot-der-verwaltung-waechst-a-1067579/