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Open Source Software Erfahrungen seit 40 Jahren

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In der aktuellen Diskussion wird immer mehr die Nutzung von Open Source Software (OSS) gefordert und gefördert. Gerade im öffentlichen Dienst wird das derzeit stark unterstützt. Fast 40 Jahre nutzt der Autor schon OSS (Open Source Software) und will seine Erfahrungen damit schildern.

Das erste OSS-Produkt, mit dem ich in Berührung kam, war das TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol). Dieses wurde von Bolt, Beran and Newman Inc. und anderen im Auftrag des DoD (Department of Defense – US-Verteidigungsministerium) in den 1970ern entwickelt. Das Militär wollte sein Rechner sichern (dynamische Wegfindung bei Knotenausfall) und herstellerunabhängig vernetzen. In den USA gibt es ein Bundesgesetz, dass Software, die mit Steuern finanziert wird, in die Public Domain gegeben werden muss (“„Works „prepared by an officer or employee of the U.S. government as part of that person’s official dutiesare automatically in the public domain by law.). Public Domain bedeutet, dass die Werke urheberrechtsfrei sind und niemand kann dafür eine Lizenz geben (wie bei amtlichen Werken in §5 UrhG in Deutschland). Dies führte zu einer raschen Verbreitung von TCP/IP. Die Universität von Kalifornien fügte das TCPIP in ihr BSD-Unix ein (anders als AT&T in ihr System V). Das wiederum wurde von vielen Workstation-Herstellern (Sun, DEC, etc.) genutzt und fand auch in den 1980ern so den Weg nach Deutschland.
Damit war auch der Weg frei für das Internet, da viele deutsche Hochschulen solche Workstations vielfach nutzen. Apple benutzt BSD-Unix immer noch als Grundlage für ihr MacOS, zudem gibt es als Open Source Linux, welches auf diesen Grundlagen aufsetzt.

So entschloss sich auch die TU Berlin Mitte der 80er Jahre auch im Projekt WOTAN (siehe mein „Kommunikationshandbuch TCP/IP“ aus den 1980ern). Problematisch waren noch die Kosten für Router. Ein damals üblicher AGS+ von Cisco kostete ca. 40.000 DM. Bei 40 benötigten Routern für den Campus wäre dann 1,6 Mio. DM von unseren 2 Mio. DM Netzwerk Budget für WOTAN verbraucht gewesen. Aber in den Usenet-News (Diskussionsplattform unter Unix-Rechnern in den 1980en, die heute auch von Google gehostet wird als „Groups“ mit Archiv) fand ich, auf dem Trickle-Server des BITNETS/EARN (Europe Academic Research Network) in der Türkei, ein Open Source Softwarepaket für Router auf PC-Basis, die mit 2 oder mehr Ethernet-Adaptern versehen wurden. Das war für 100.000 DM Hardware und 100.000 DM/a Vollkosten für einen BAT-II-Betreuer wesentlich günstiger als die damalige Cisco Lösung. Die PCs waren ohne Monitor und wichtige Bedingung war, dass diese auch ohne Tastatur booten konnten wegen des automatischen Wiederanlaufes nach Stromabschaltung oder Remote-Bootens. Schnell und günstig konnten wir so damals den Campus auf LAN-Basis vernetzen.

Wie Kenner schon an dem Kommunikationshandbuch TCP/IP gesehen haben, war damals an Hochschulen auch TeX und LaTeX im Einsatz. Diese beiden Open Source Textverarbeitungen hatten zwei wichtige Vorteile: 1.) Wissenschaftliche Texte konnten damit einfach erstellt werden inkl. wissenschaftlichem Apparat mit Fußnoten und Quellenverzeichnissen und 2.) konnten mathematische Formeln recht einfach erstellt werden.

Anfang der 1990er Jahre kamen dann Webserver in Mode. 1994 bauten wir bei Compunet den zweiten kommerziellen Webserver auf Basis des Webservers von Apache in Berlin auf.

CompunetZur Quelle zu Compunet-Screenshot und mehr Infos zu LaTeX siehe: „Wo kommt die „Kostenlos-Kultur her?“ (2012) Auf dem Screenshot oben sieht man auch, dass als Browser der NCSA-Mosaic genutzt wurde. Auf dem NCSA-Mosaic basieren auch Mozilla Firefox und Microsoft Internet Explorer.

Eine weitere große Welle von Open Source Software kam mit Office Paketen für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation auf: Open Office, Libre Office, Onlyoffice, usw.. Diese sind meist in einer freien Open Source Variante verfügbar, bieten kommerziellen Support an und manchmal auch schon in einer webbasierten Variante. In den Kernfunktionalitäten können sie Microsoft 365 substituieren. Bei der Integration von Terminkalender, Fileservice oder Videokonferenzen gibt es noch Luft nach oben, aber auch daran wird gearbeitet wie z.B. beim Projekt Phoenix bei Dataport in Hamburg und Altenholz.

In den 1980ern hatte die Workstations von Sun, Apollo, Silicon Graphics oder DEC proprietäre Fenstersysteme (Sun z.B. hatte SunView). Manchen Nutzern gefielen besondere Funktionen wie das Öffnen eines neuen Fensters über Tastatur-Taste (später von MS-Windows übernommen). Für Administratoren aber war es der reine Horror zahlreiche graphische Oberflächen administrieren zu müssen. Da kam X-Windows auf, dass als freie Software gleiche Funktionen für alle diese Betriebssysteme bot und zusätzlich Fenster starten konnte, die irgendwo im Netz angezeigt werden können. Z.B. bot es sich an, Apfelmännchen auf einer Cray zu rechnen und auf einer Silicon Graphics Maschine anzuzeigen. Der Autor erinnert sich noch deutlich, als er wegen fehlender Internetbandbreite von einem Sun-Mitarbeiter den Sourcecode auf einem Band bekam und dann völlig fasziniert von Samstag auf Sonntag auf seine Sun 3/50 wartete mit einem Motorola 68020-Prozessor, bis er dann das Open Source X-Windows sonntags morgens starten konnte. Viel später startete dann Microsoft seine erste Windowsversion, bei der man aber nicht Fenster irgendwo im Netz starten kann.

Ein anderes Thema sind Videokonferenzen, die man heute im Homeoffice, im Büro, um Reisen zu vermeiden und auch im Homeschooling intensiv nutzt. Kommerzielle Varianten wie MS-Teams und Zoom und viele mehr sind weit verbreitet und komfortabel. Z.B. kann man in MS-Teams eine Videokonferenz im Kalender planen und starten. Man hat die zugehörigen Chats auch gleich in Teams gespeichert. Bei anderen Systemen sind sie im Zweifel nach der Konferenz weg. Da diese Systeme aber von US-Firmen stammen, können sie möglicherweise Datenschutzprobleme erzeugen in Europa, haben auch Open Source Videokonferenzen wie Big Blue Button (BBB) den Weg in die Anwendungsbereiche gefunden, die lokal betrieben werden können und für mehr Datenschutz sorgen.

Für die Speicherung von Dateien und Daten hat sich Nextcloud entwickelt mit einer Vielzahl von heute integrierten Möglichkeiten. 2016 entstand das Produkt als Fork von dem 2010 entstandenen ownCloud.

Für die Speicherung von Open Data gibt es seit einiger Zeit die Plattformen CKAN und DKAN. Viele Kommunen in Deutschland verwenden eine von den beiden. Mit Ihnen können Daten und Metadaten gespeichert werden in einem Katalog, der über ein Web-Interface oder über API zugreifbar ist. Bei manchen ist auch die OpenSearch-API von Amazon integriert, das bei Satelliten-Daten (Fotos, Radar, Laser) um Raum- und Zeitdaten als Metadaten ergänzt ist.

Viel Open Source Software wird derzeit im Bereich Cloud Computing zur Verfügung gestellt (als Software-as-a-Service). Oft sind die Ursprünge in großen (amerikanischen) Firmen, die ihre Software als Open Source zu Verfügung stellen, oder sie in die Obhut von Stiftungen geben. Meist will man, dass durch diese Maßnahmen sich eine Benutzer-Community vergrößert/bildet, die dann auch gerne die Pflege der Software über nehmen kann auf Sourcecode Repositorys wie Github (jetzt Microsoft) oder GitLab. Um ein Beispiel zu geben, was es an Open Source im Cloud-Computing gibt, hier mal ein Listing, welche Open Source Produkte in dem Paket VanillaStack von Cloudical enthalten sind: Kubernetes, Docker, CRI-O, ISTIO, Rook, Ceph, NetApp Trident, Velero, OpenStack, KubeVirt, Ansible, Terraform, Cloud Foundry, Gitlab CI, Jenkins, Harbor, Prometheus, Grafana, Elasticsearch, Fluentd, Kibana, Jaeger, Keycloak, Falco, Aqua, Clair. Es ist überwältigend, wieviel Open Source Software hier verfügbar ist.

Wir haben oben schon gesehen, dass mit dem US-Public Domain und mit den deutschen amtlichen Werken (§5 UrhG) echt offene, lizenzfreie Software existiert. Etwas unfreier ist Open Software unter einer Vielzahl anderer Lizensierungsmodellen, wo das Urheberrecht nicht abgegeben wurde, sondern nur Teilnutzungen möglich sind und durch die man sich wegen ihrer Vielfalt mühselig durchquälen muss. Die schlimmste Diskussion dazu wurden mit der GNU General Public License, kurz GPL oder auch Copyleft, von Richard Stallman geführt, dem Gründer der Free Software Foundation (FSF). Stallman wollte, dass auch abgeleitete Werke ihren Quellcode veröffentlichen müssten. Das hat sich nicht durchgesetzt und Stallmann war auch zeitweise aus der FSF raus (2019-2021). Ziel sollte es daher sein, echte Offenheit ohne einschränkende Lizenzen zu fördern.

Besonders im öffentlichen Bereich gibt es derzeit viel Unterstützung für Open Source. Zum einen soll die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern mit proprietärer Lizenzsoftware herabgesetzt werden („Souveränität“) zum Beispiel im Projekt Phoenix. Andere wie die FSF sagen „Public Money Public Code“. Bei der Umsetzung des Online Zugang Gesetzes haben über 11.000 Kommunen dieselben Bundesgesetze digital umzusetzen. Hier wurde das Prinzip „Einer für alle“ oder wenigstens „Einer für viele“ vorgeschlagen. Hier soll einer die technische Lösung entwickeln und anderen als Open Source zur Verfügung stellen. Dafür werden derzeit auch Open Source Repositories speziell für Software für den Öffentlichen Dienst entwickelt. Bei der Corona-Bekämpfung wurde zum Beispiel auch die Software Sormas, die 2014 für Nigeria für die Ebola-Bekämpfung entwickelt wurde, als Open Source bereitgestellt, damit die Gesundheitsämter auch andere Software digital anschließen konnten. Für die Corona Warn App war die offene Bereitstellung des Codes Voraussetzung für den Vertrauensaufbau, wenn auch die Nutzung unter iOS von Apple oder Android von Google geheime APIs voraussetzt.

Sieht man sich die vielen Beispiele an, wo Open Source in den letzten 40 Jahre vordrang, sieht man auch einen anderen generellen Trend: Das Geschäftsmodell für Software wird immer weniger durch Lizenzgebühren bestimmt und immer mehr durch gebührenpflichtige Dienstleistungen für Beratung, Implementierung und Betrieb (auch Hosting), was auch die schnellere Nutzung von moderner Technik fördert.

Heute geht dir Durchdringung so weit, dass sich in Deutschland eine Open Source Business Alliance gebildet hat, deren Mitglieder zum Beispiel der Bundesregierung hilft, ein Zentrums für Digitale Souveränität (Arbeitstitel ZenDiS) zu errichten, am Projekt Phoenix von dataport (siehe oben) mitwirken, Nutzung von Open Source Software online anbieten wie PublicPlan oder Cloudical, die selber Open Source Software Pakete entwickeln.


Kommentare bitte an wk@wolfgang-ksoll.de


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